Seit 1883 ist die Zinkengasse zur Mühlhäuser Kirmes präsent und begeht in diesem Jahr das 130-jährige Fahnenjubiläum. In ihrer langen Geschichte sorgte die Gasse in der Vorstadt, während der Kirmes immer wieder für Aufsehen. Ein ganz besonderes Kapitel Mühlhäuser Kirmesgeschichte schrieb die Zinkengasse während der Zeit des Bestehens des "Circus Zinkengasse".
Vor 60 Jahren, im Jahr 1953, fiel im "Thüringer Hof" (Kirmesplatz der Zinkengasse) der letzte Vorhang. Angefangen hatte alles schon in den letzten Kriegsjahren, die Kinder der Familie Anhalt begannen, kleine Kunststücke für die anderen Kinder und Erwachsenen in der Gasse aufzuführen. Sie liefen mit Balancierstange und Regenschirm über ein gespanntes Seil, und führten andere Kunststücke auf, mit der Zeit beteiligten sich immer mehr Kinder an diesen Vorführungen. Aus diesen Anfängen entwickelte sich, unter Anleitung der Erwachsenen, der später weit über die Zinkengasse und Stadtgrenze berühmte und bekannte "Circus Zinkengasse". Organisiert und aufgebaut wurde der "Circus" von Erich Kümmel und Kurt Anhalt, nach dessen Rückkehr aus der Gefangenschaft, in der er mit einigen Gleichgesinnten einen kleinen Zirkus zur Freude der anderen Gefangenen organisiert hatte. Berühmt wurde Kurt Anhalt in seiner Rolle als Clown "Schippendraht". Im Jahre 1949 besuchte ein Kirmesfreund aus der Grünstraße eine Vorstellung des "Circus". Er war so begeistert von dem, was er hier zu sehen bekam, dass er für seine Kirmesgemeinde um eine Extravorstellung bat, was ihm gewährt wurde. Alle 100 Mitwirkenden waren Amateurartisten.
Schnell sprach es ich in der Stadt herum, was die Kirmesgemeinde Zinkengasse auf die Beine gestellt hatte. Der Wunsch nach weiteren Vorstellungen wurde laut und die Zinkengasse kam diesen nach. Der "Circus Zinkengasse" bot den Zuschauern Artistik und Unterhaltung vom Feinsten. Wer diese Vorstellungen besuchte, mochte nicht glauben, dass alle 100 Mitwirkenden Laien waren. Zu den Vorstellungen in Anhalts Garten kamen bis zu 1500 Zuschauer - pro Vorstellung. Den Zuschauern wurden zwischen 17 bis 22 Programmpunkte geboten. Die Leistungen der Amateurartisten waren so gut und beeindruckten sogar die Leute vom Circus Barlay, der 1950 hier gastierte. Aus der Zinkengasse wurden einige eingeladen und bekamen natürlich die besten Plätze im Zirkuszelt, vom Direktor wurden sie als "liebe Kollegen" aus der Zinkengasse begrüßt und er sprach ganz begeistert von den Darbietungen.
Der "Circus Zinkengasse" bekam von der Direktion das Angebot, drei Programmpunkte in das laufende Programm des Circus zu übernehmen mit den Künstlern. Das großzügige Angebot nahm aber niemand an.
Alle Requisiten wurden selbst hergestellt, die wunderschönen Kostüme schneiderten und nähten die Frauen selbst. Die Zinkengasse hatte seltenes Glück: Der nach Kanada ausgewanderte Sohn von August Gutjahr, Wilhelm, unterstützte sie großzügig mit Stoffen und anderen Dingen, so dass sie in der Lage waren, alle Kostüme die gebraucht wurden, herzustellen. Im Kirmesumzug 1950 trat die Zinkengasse erstmals als Zirkus auf und wurde vom Rat der Stadt für die hervorragende Ausgestaltung mit einer Prämie von 250 Mark ausgezeichnet. Für die damalige Zeit bedeutete das viel Geld, schon 1949 hatte die Zinkengasse ein Diplom erhalten. Viele Besucher der Kirmesgemeinde Zinkengasse erinnern sich auch nach 60 Jahren an den "Circus", denn er war zu dieser Zeit etwas besonders und nicht wiederholbares in der Mühlhäuser Kirmesgeschichte.
Die Mühlhäuser und die auswärtigen Gäste bedauerten es sehr, als im Jahr 1953 der letzte Vorhang fiel und der "Circus" Geschichte war. Alle Mitwirkenden namentlich zu nennen, würde den Rahmen des Beitrages sprengen. Es waren fast 100 Zinkengässer die mitgewirkt haben und man liefe Gefahr, den einen und anderen zu vergessen. Ein Wunsch den die Zirkusleute in all den Jahren als Motto hatten, erfüllte sich leider nicht. So wie in dieser Circus-Welt die Menschen friedlich leben, mögen in der ganzen Welt die Völker danach streben.
Autor Reinhard Laubsch ist Mitglied der Kirmesgemeinde Zinkengasse.