Traditions­verein
Mühlhäuser Heimatfeste e.V.

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Ruhe sanft bis 1983 - Wer hätte seinerzeit gedacht, dass ein Schild zur Kirmes sehr bald schon Realität werden würde. Die Mühlhäuser Kirmesgemeinde "Mittlere Wanfrieder Straße" nämlich gab´s drei Jahre später nicht mehr. In bester Erinnerung ist sie mit dem allabendlichen Programm in der "Hubertus-Klause" und den zwerchfellstrapazierenden Umzügen dennoch geblieben. 

MÜHLHAUSEN. Wenn "Rivers of Babylon" von Boney M. erklang, hielt es keinen in der Wanfrieder Straße mehr auf den Sitzen. Noch heute erinnern sich die ehemaligen Mitglieder der Kirmesgemeinde "Mittlere Wanfrieder Straße" bei diesem Lied an längst vergangene Zeiten."Mit Leib und Seele waren wir bei der Kirmes dabei", erzählt der ehemalige Vizebürgermeister der Gemeinde, Michael Klein. Seine Mutter Annemarie hatte die Kirmesgemeinde 1948 mit 35 Mitgliedern gegründet. Nach dem Zweiten Weltkrieg habe man die Straße wieder etwas beleben und den Menschen Unterhaltung bieten wollen, erinnert sich Herr Klein an die Erzählungen seiner Mutter.


Schließlich habe es moderne Unterhaltungsmedien wie Fernseher und Radio entweder gar nicht oder nur selten gegeben.Mit Ideenreichtum in Programm und Umzug zeichnete sich die Kirmesgemeinde aus. Auch wenn manches etwas grenzwertig gewesen sei, wie Klein schmunzelnd verrät. 1957 wurde die Prostituierte Rosemarie Nitribitt in Frankfurt am Main ermordet, was für großes Aufsehen sorgte.

Als 1960 allgemein bekannt wurde, dass ein führendes Mitglied des damaligen Rates des Kreises in der sogenannten Sackgasse zwielichtigen Vergnügungen nachgegangen sein soll, war das passende Thema gefunden: Kirmesgemeinde "Mittlere Wanfrieder Straße" von der Reiter-Olympiade aus Rom zurück. Themengerecht bewältigten Werner Genzel und Eduard Hoppe den Kirmesumzug in jenem Jahr zu Pferd. Die passenden Schilder auf dem Rücken sorgten für die gewünschten Lacher weit und breit: "Werner auf Sackgasse" und "Edi auf Nitribitt". Wie man richtig feiert, hat die Kirmesgemeinde "Mittlere Wanfrieder Straße" also gewusst.

In der "Hubertus-Klause" (Ecke Wanfrieder Straße /Grünstraße) wurde das allabendliche Programm vor einer Vielzahl von Besuchern aufgeführt - eine Überlastung des Zwerchfells war dabei garantiert. Ob nun das Double von Hubert Kah mit dem bekannten Lied "Sternenhimmel" einen Überraschungsauftritt hinlegte, eine plötzlich zu Leben erwachte Statue mit Seifenlauge einmal gründlich generalüberholt wurde oder mit den Kindern Kirmeskreise getanzt und Kirmesketten gebastelt wurden - für jeden Geschmack und für jedes Alter war das Passende dabei. 

Diese übermäßige Feierlaune schien einem Wirt in der Hubertusklause zu viel zu werden. Er verbot der Kirmesgemeinde "Mittlere Wanfrieder Straße" 1968 das Feiern in der Gaststätte. Ohne überdachten Unterschlupf für die zahlreichen Besucher setzte die Gemeinde ein paar Jahre die Mühlhäuser Stadtkirmes aus. Da man diese Zeit aber doch zu sehr vermisste, wurde zehn Jahre später - 1978 - ein großes Festzelt gekauft. Aufgebaut an der Ecke Wanfrieder Straße /Lutterothstraße sorgte die Gemeinde endlich wieder für die lang ersehnten Lachkrämpfe. Nach der Kirmeswoche kam dann allerdings der ungeliebte Kater. Michael Klein beschreibt die Zeit direkt nach der Kirmes mit einem Spruch, frei aus dem Alten Testament: "Das sind Tage, von denen wir sagen, sie gefallen uns nicht." Das wäre bestimmt auch die passende Zusammenfassung für das Jahr 1986 gewesen. Nachdem die Wanfrieder Straße als Hauptverkehrsstraße nicht mehr gesperrt werden durfte und das Festzelt auch in der angrenzenden Lutterothstraße nicht mehr aufgebaut werden konnte, weil so der Zuliefererverkehr für Firmen blockiert wurde, war für die Kirmes im wahrsten Sinne des Wortes kein Platz mehr. Der Umzug von 1985 sollte der letzte sein, an dem sich die beliebte Kirmesgemeinde "Mittlere Wanfrieder Straße" beteiligte. Doch auch mehr als zwanzig Jahre später schlagen die Herzen in der Wanfrieder Straße noch für die Mühlhäuser Stadtkirmes - denn noch immer hängt dort jedes Jahr die alte Fahne und erinnert an längst vergangene Zeiten.

Quelle: Thüringer Allgemeine Mühlhausen vom 20. August von Carolin BIEBRACH

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